Angelockt von einem guten Beispiel polnischer Plakatkunst, der unwiderstehlichen Wortkombo „Nächste“ und „Generation“ und der unwiderstehlichen Buchstabenkombo V und R machen wir uns auf zur Galerie der ASP Łódź.
Auf acht Bürostühlen liegen acht Headsets bereit. Wir erscheinen pünktlich zu unserem reservierten Termin im „ersten Kino dieser Art“ in Łódź. Ein junger Mann weist uns ein und entschuldigt sich vorauseilend für die Qualität des ersten der vier Filme, an dem er irgendwie beteiligt ist. Zu Recht: obwohl der etwa fünfminütige Film am weitesten von VR-Demo-Klischees entfernt ist, erfüllt er leider eine ganze Reihe anderer Klischees. Ein Pärchen streitet sich über ihre unterschiedlichen Kinderwünsche – Sets, Kostüme, Dialoge und vor allem Geschlechterrollen sind dabei leider auf Telenovela-Niveau. Der Mann steigt ins Auto, rast weg und in einen LKW. Die folgende um neunzig grad verdrehte Perspektive und „out of body“-Kamera sind das Interessanteste dieses Films.
Es folgt eine solide Arte-Produktion über zwei Tiefseetaucher_innen, die mit Delfinen schwimmen. Das dankbare Unterwassersetting kann dabei nicht vom Hocker reißen – welcher glücklicherweise ein Drehstuhl ist, sodass man das 360°-Grad-Toter-Winkel-Versteckspiel spielen kann. Oder einfach in die ruhige Ecke starrt bis sich die „Handlung“ wieder zurückverirrt.
Schwereloses Schweben als VR-Milieu kann im folgenden Film besser Punkten: die Kamera umkreist einen Raketenstart, danach geht es in Kosmonaut-POV zitternd durch die Atmosphäre und dann, Nabelschnur-getethert auf einen Weltraumspaziergang.
Die durchweg computergenerierten Bilder erscheinen dann auf den mauen Headsets (Gear-VR-Smartphones) angenehm scharf und der Blick auf die Erde überzeugt trotz eingeschränktem Blickfeld. Eigentlich sollte keiner der vier Filme 3D sein (die VR-Kugel hat eine flache Oberfläche, sozusagen), aber entweder war hier wegen der 180° irgendwie doch ein bisschen 3D möglich, oder der Film wirkte einfach plastischer als die anderen.
Computergeneriert ist auch der letzte Beitrag, der fotorealistischen Anspruch aufgibt, und das Uncanny Valley begrüßt. Eine Kamerafahrt durch eine nächtliche Stadtszene fliegt durch einen verchromten Tanklaster zu einer matrixig überbevölkerten U-Bahn.
Elementarer Sci-Fi-Surrealismus, aber schön umgesetzt. Die formale Strenge der einfachen tunnelartigen Kamerafahrt erlaubt es sich auf das Erlebnis zu konzentrieren.
Dass TV-Drama in neuen, seltsamen Medien funktionieren, hat Godards Goodbye to Language gezeigt (YMMV), aber dafür musste es sich auch ganz schön aus dem Fenster lehnen. Während die Demo-näheren Sci-Fi-Stoffe auf die Schnelle kurzweiliger sind, bin ich eher gespannt auf andere Genres, oder eben aufregendere Umsetzungen innerhalb des Genres. Erste interessante Ansätze lassen sich erahnen – vielleicht schafft es die übernächste Generation die Stärken dieses semiinteraktiven Mediums VR-Kino zu finden.
Leider gab es wenig Informationen zur Veranstaltung, also auch hier keine wenig Links zu den Filmen, Sorry! Mitschreiben in VR ist ganz schön schwer…