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Die Temperatur des Planeten erhöhen, den Meeresspiegel anheben, Gase in die Atmosphäre pumpen – auf dem Mars kein Katastrophenszenario, sondern das Ziel, auf das alle hinarbeiten. Wer am meisten dazu beiträgt, gewinnt bei „Terraforming Mars“.

Das Spiel, entwickelt von einer Familie mit dem klangvollen Namen Fryxelius, erinnert in der Rahmenstory sowie in vielen Details an Kim Stanley Robinsons Mars-Trilogie: verschiedene Parteien mit unterschiedlichen Einzelinteressen beginnen, den Roten Planeten zu kolonisieren und haben dabei ein gemeinsames Ziel, nämlich ihn erdähnlicher und somit für den Menschen wohnlicher zu machen. Dafür muss die Temperatur von anfangs etwas kühlen -30°C auf kuschlige 8°C angehoben werden, der Sauerstoffgehalt auf 14% erhöht werden und neun Weltmeere müssen entstehen.

Das Schöne dabei ist, dass das Spiel außergewöhnlich kooperativ und wenig kompetitiv angelegt ist. Obwohl es in der Komplexität der Wirtschaftssimulation und Strategiebildung große Ähnlichkeit mit Brettspiel-Klassikern wie Im Wandel der Zeiten hat, birgt es viel weniger Frustpotential. Vereinzelt ist es zwar möglich, Gegnern ein wenig zu schaden (indem man etwa einen Asteroiden, der den Stickstoffhaushalt erhöhen soll, direkt auf den ersten zarten Pflänzchen eines Mitspielers einschlagen lässt), aber nie so sehr, dass die gesamte Zivilisation, die man in den letzten Stunden aufgebaut hat, ruiniert wird und das Weiterspielen sinnlos wird. Motivierend sind auch die vielseitigen Erfolge in Bezug auf Städtebau und neue Technologien, die sich schnell einstellen und einem stetig mehr taktische Möglichkeiten eröffnen. Auch das Erreichen bestimmter klimatischer Meilensteine schaltet nach und nach manche Karteneffekte frei. Dass die Ereignisse nicht nur auf spieltechnischer Ebene spezifiert werden („Erhöhe deine Wärmeproduktion um 7“) sondern immer auch eine anschauliche und fundierte Beschreibung enthalten („Riesige ultradünne Spiegel reflektieren das Sonnenlicht gebündelt auf den roten Planeten“) macht die Welt, die man zusammen erschafft, lebendig und greifbar. Trotz des kooperativen Faktors bleibt es trotzdem spannend, wer am Ende als der einflussreichste Terraformer dasteht.

 
Goldgepresste Zählwürfel und Beispielkarten.

Optisch ist „Terraforming Mars“ eine Augenweide. Als erstes fallen die geradezu appetitlich aussehenden Kunststoff-Zählklötzchen in verschiedenen Farben ins Auge, die auch wesentlich praktischer handzuhaben sind als Marker aus Pappe. Die Karten sind nicht nur übersichtlich gestaltet, sondern auch ästhetisch gut gelungen. Es empfiehlt sich allerdings, einen entsprechenden Sortierkasten für die vielen Elemente zu besorgen.

Das einzige, was vielleicht etwas negativ auffällt, ist die Umständlichkeit und Frickeligkeit mancher Karten, etwa derer, die etwas mit der dauernden Produktion von Mikroben zu tun haben, an die man jede Runde denken muss und für die eine Unmenge an Markern draufgeht (ohne dass die Wirkung besonders groß wäre) – die muss man allerdings nicht unbedingt einsetzen, und sie sind auch Teil der beeindruckenden Vielfalt an Mechanismen, die in den Karten zu finden sind. Die Spieldauer fällt bei uns bisher auch immer weitaus länger aus als angegeben: statt 90-120 Minuten haben wir immer mehr als drei Stunden gebraucht, bis der Mars ausreichend begrünt und bewässert war.

Das trübt den Gesamteindruck aber wenig, da die Marskolonisierung abwechslungsreich genug ist, um den Spielspaß für Stunden aufrecht zu erhalten. Klare Empfehlung für alle Brettspieler, die es mit ihrem Gewissen vereinbaren können, die besondere Röte des Mars zu vernichten und ihn zu einer zweiten Erde zu machen.

Kommentare

  1. Gegrüßt.
    Gewiss heptapodisch gekonnt längst in nichtlinearem Umblick vorhersichtig zugegriffen, falls nicht verwiesen auf die dritte Erweiterung zu Terraforming Mars – PRÄLUDIUM,
    – das insbesondere den Terraformingstart strategischer machen soll,
    – trotzdem die Spielzeit um 30m verkürzen soll
    – und noch mehr vom Gleichen bringt, nämlich die allseits schmerzlichst raren Projekte:-) wie Meilensteine.
    Nur damit ihr nicht unterspielt werdet und meint, es gäbe nur zu stets neuen Grenzen strebende Konzerne bei Netrunner… AUF ZUM MARS!
    https://www.schwerkraft-verlag.de/2018/07/23/das-pr%C3%A4ludium-zu-terraforming-mars/
    (nein, kein Verlagsmitarbeiter, nur grad Selbergekaufthaber)
    Eine globale Durchschnittstemperatur von nur 8°C käme mir grad gelegener als eine lokale von 30 – sehr eigensinnig Oo

    Und als eingespielte wie eingelesene Mars-Kolonisationsexpertin wird dich sicher freuen, dass man vielleicht doch nicht volle neun Ozeane auf dem Mars fluten muss, sondern tatsächlich auf wesentlich mehr zurückgreifen könnte, denn „Wir wollen gar nicht den Kosmos erobern, wir wollen nur die Erde bis an seine Grenzen erweitern.“ (Wer hat’s gesagt?)
    https://www.zeit.de/wissen/2018-07/mars-wasser-suedpol-see-fremdes-leben-roter-planet/komplettansicht

  2. Veganes PS
    Spielt ihr 3h in voller Besetzung? Pustet ihr jedes Sauerstoffmolekül einzeln über den Spielplan?:-) Oder rezitiert ihr nebenbei Robinsons Trilogie?;-)
    Also hier das ultimative Eingeständnis: während andere von etwa 10 Generationen berichteten, die sie bloß bis zum terrageformten Aufblühen des Mars gebraucht hatten, brauchten wir – nur zu zweit! – auch mal über 20, nie weniger als 16 Generationen (irritierend ja, weil extreme Ressourcenakkumulation, aber war halt trotzdem toll). Erst die beim Schwerkraft Verlag online gegangene Errata ließ uns beschämt erbleichen, so keck dort DER Spielfehler von uns ins Licht gezerrt worden ist: pro Generation führt man nicht nur 1-2 Aktionen je Produktionsressourcen aus, dann die übrigen Mitspielenden, sondern nach all deren 1-2 Aktionen man selber im Rahmen des Möglichen erneut und in Runde so oft und andauernd, bis niemand mehr kann und/oder will (evtl. der reichste Konzern hinten raus x-fach oft alleinunterhaltend).
    Ihr habt doch nicht etwa auch…..nach unserem Fehler gespielt, sondern nur die Karten so ausgiebig bewundert?

    Apropos Bewundern, das dürfen wir – hoffentlich auch in Europa beziehbar – bei The First – wie zum Spiel gemacht
    http://www.robots-and-dragons.de/news/117753-the-first-erster-trailer-zur-mars-serie-sean-penn

    1. Genau denselben Spielfehler haben wir beim ersten Spiel auch gemacht, aber zum Glück dann auch schnell das Gefühl bekommen, dass da was nicht stimmen kann. Seitdem spielen wir regelkonform, aber tatsächlich mit ausführlicher Kartenbewunderung :) (und zu zweit)

      Eine spielverkürzende Erweiterung käme und daher wirklich entgegen – danke für den Link! (und auch die Mars-Wasser- und Serien-Links)

      Dein ‚Wer hat’s gesagt‘-Zitat musste ich nachschauen
      – ich lass es mal so als ungelöstes Rätsel für zukünftige Leser mit besserem literarischen Gedächtnis stehen!

      1. Gegrüßt.
        Ja, Spielverkürzung mag praktisch sein, ist aber unrealistisch; es müsste eine extreme Verlängerung geben – 10 oder 20 Generationen, 300-600 Jahre sind was für Hastspießer und Kurzbelebte. Trotz Carl Sagans Anregungen, trotz KS Robinsons detaillierter (NOCH ungelesener) Arbeitshinweise, trotz des großen Spielerfolgs (alle folgend erwähnt:)) ), das Projekt Terraforming Mars scheint science FICTION zu bleiben, so geduldig und langzeitplanvoll ist der Homo sapiens nicht bzw. wird so lange nicht mehr warten können
        https://www.spektrum.de:443/news/der-traum-vom-terraforming/1581948?utm_medium=newsletter&utm_source=sdw-nl&utm_campaign=sdw-nl-daily&utm_content=heute
        (da bedürfte es heptapodisch nichtlinearen Überblickens, um das angehen zu können – so ist es ein nächster BER für narkotisierte Murmeltiere; allein die Schlagzeilen jedes Jahrhundert, dass immer noch nichts vorangekommen sei …)

        Zum Trost ein Blick zurück in die GUTE ALTE ZEIT, als der Mars noch Mars war und ein anständiger Planet, der vom kriegsgott namentlich abstammte
        https://www.utd.hs-rm.de/mars/

        Da bleiben nur noch – auf einmal so kurz wirkende – 3h Brettspielzeit:-), die man nun umso mehr genießen sollte

        PS @ Zitat: Nahm an, du könntest diese Autorenheit frei rezitieren, so wie du eine der Erzählungen in einem der frühen WiederVoyager-Folgen trefflich erwähntest. Wer’s herausfindet, kann jedoch nicht mit einer Reise zum Mars belohnt werden;-)

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