Eine Reihe von Shake Hands führt uns von der Gegenwart in die Zukunft. „Unsere“ Astronauten begrüßen im Zeitraffer eskalierend fremde raumfahrende Kulturen, ihre Hautfarben implizit nach aufsteigender Exotik sortiert: braune Astronauten, gelbe Austronauten und dann sogar, Wow!, schwarze Astronauten. Dann wird es sogar noch exotischer – die wachsende International Space Station wird mindestens Interplanetary, wuchert – und unsere Helden schütteln Hände von Wesen, die der Soundtrack uns als Space Oddities auf die Nase bindet. Dementsprechend fremd sind ihre Hände, aber immer noch schüttelbar. Die Aliens sind einfallsreich designt, letztendlich aber stereotyp charakterisiert – lang und dünn und vornehm, dick und niedlich, und – Haha! – einer hat uns vollgeschleimt. Und natürlich sind praktisch alle Astronauten Männer.

So beginnt Luc Bessons Valerian ähnlich wie Das Fünfte Element, mit einer Art Setup-Intro. Wo aber das ungewöhnliche Design der Mondoshivan durch ihre physikalische Präsenz tatsächlich angenehm verstörend wirkte, verpufft der Effekt hier als CGI-Fleißarbeit. Den Kostümen fehlt die (vielleicht anti-intuitive) Geschlossenheit einer Gaultier-Kollektion.

Das alles wäre nicht so schlimm, und mit einem zugedrückten Auge (dann in 2D) irgendwie genießbar. Selbst der französische Humor wäre zu verschmerzen, wäre da nicht das Frauen- und Weltbild. Valerian ist ein Film, in dem strong female character automatisch bitchy bedeutet. Neben der farblosen Laureline sind die anderen weblichen Charaktere überschaubar. Die Assistentin (?) des Goblin-Königs zieht dümmliche Freak-Show-Grimassen. Die Touristen-Ehegattin bringt hässlichen Kram aus dem Urlaub mit und geht ihrem Mann auf den Keks. Und schließlich Rihanna – Stripperin, form- und geschlechtswandelnd-aber-dann-doch-weiblich. Valerian „rettet“ sie natürlich, weil nur er so edel und gut ist, ihre Kunst zu schätzen und ihren Charakter zu sehen. Und dann opfert sie sich für ihn, aber keine Sorge, ihr Sklavinnenleben war ja eh nichts. Egal, schließlich ist der Film ja auch ein ausgedehnter Heiratsantrag an Laureline, deren Name im Gegensatz zur Comic-Vorlage im Titel fehlt.

Der eigentliche Plot ist videospielumsetzungsfreundlich in Kapitel/Missionen trennbar und dicht angereichert mit interessanten individuellen Ideen und Konzeptchen, jedoch fügen sich die Bausteine nicht zu einem schlüssigen Ganzen, zu nah sind sie am jeweiligen Original, und es mangelt an Bindegewebe. So hüpfen wir auf unfreiwilligen Zitaten von Level zu Level, von der Höhle des Hobbit-Goblin-Königs zur Belagerung des Stargate zu A.I.’s Rotlichtviertel. Die Geschichte: Böse menschliche Militärs nehmen, in den Wirren des Krieges, den Genozid an einer „unterentwickelten“ Spezies in Kauf. Diese Spezies ist natürlich nicht wirklich unterentwickelt sondern nur anders, naturnah, leise, sanft und edel und androgyn – in einem männlich dominierten Film das ultimative progressive Exotikum. Einige überleben den Genozid und versuchen ihre Welt wiederaufzubauen, wozu sie sich den verloren gegangenen (oder geklauten?) Transmutator, ein niedlich-dämliches Rattenhündchen, zurückholen wollen, der wie ein Goldesel das Hauptexportgut ihres schwer eindeutschbaren Heimatplaneten Mül vervielfachen kann: hübsche Perlen. Die Spezies heißt auch Pearls. Ja, ja. Jedenfalls sind Valerian und Laureline supertalentierte, freche Geheimagent_innen der menschlich-basierten Föderation und wir brauchen den Transmutator natürlich dringend um unseren enormen Perlenbedarf zu decken. V & L decken durch ihre nichtkonformistischen Methoden natürlich eine riesige Militärschweinerei, die Vertuschung des o. g. Genozids, auf und retten die Pearls.
Als im Finale der Default-Repräsentant der Föderation, Supergeheimagent Valerian, ihnen ihren magischen MacGuffin-Reaktor wiederbringt und so den Neuaufbau ihrer Spezies ermöglicht tut er dies nicht angemessen verschämt-unterwürfig, sondern erlaubt den Aliens ihr heiligstes Artefakt wieder zu besitzen. Weil er so gütig ist. Oder nicht direkt persönlich beteiligt war.
Warum lassen es die Pearls darauf ankommen und nehmen Valerian das Ding im kritischem Moment nicht einfach weg? Nicht weil sie edel sind und besser als die Menschen – dazu sind sie zuvor zu gewalttätig vorgegangen. Nein: Valerian aalt sich zwar in der Absolution, die den weißen kollateral-Conquistadores von den Natives gewährt wird, aber als white dude behalten wir bis zum Schluss ihr Schicksal in unseren Händen. Weil das eben so ist. Avatar lässt grüßen.

So wie in Avatar auch gibt es hier immerhin interessante, konzeptige 3D-Setpieces – die oft leider in gewichtsloser Greenscreen-Irrelevanz verpuffen. Valerians Höhepunkt: Ein unsichtbarer, unfühlbarer, Maghreb-inspirierter Bazar, der mit Hilfe einer Brille und Handschuhen erfahren (und konsumiert) werden kann. Touristische Einkäufe müssen durch Geräte, die wie Flughafen-Scanner aussehen, erst in die (andere, unsere, nicht-maghrebinische) Realität überführt werden. Diese Geräte hängen zwischen den Realitäten und bilden Interfaces, oder Tunnels¹, und ermöglichen interessante Verfolgungsjagden und Slapstick. Aber es bleibt das Gefühl, dass nicht das ganze Potenzial dieser High-Concept-Sci-Fi Situation ausgeschöpft wird. Dabei wäre dieser Virtual-bzw.-Augmented-Reality-Bazar ebenfalls hervorragendes 3D-Material. Die Brillen-Situation ist im Kinosaal identifikationsfreundlich gespiegelt, hologrammartige, halbtransparent-leuchtende Überlagerungen und schwebende Objekte sind stereoskopische Paradebeispiele. Trotzdem auch hier das Gefühl, dass mehr möglich gewesen wäre – aber Valerian sollte ja gar nicht 3D sein, was man dem Film leider oft anmerkt: Die Schnitte und Achterbahn-Verfolgungsjagden sind zu schnell, die Komposition der Establishing Shots wird von der Tiefe eher gestört als gefördert. Und auch der untertitelgebenden Raumstation kommt die 3D-Konvertierung nicht zu gute. Eigentlich sind große Dinge im großem Weltraum sehr weit weg und damit stereoskopisch fast flach. Die fraktal gewucherte Raumstation Alpha würde den Augen genug „Grip“ bieten um einen subtilen 3D-Effekt zu ermöglichen, der ihre Dimensionen und die umgebende Leere wiedergeben könnte. Aber das Gegenteil ist der Fall: Auf maximalen Tiefe komprimiert tritt der so genannte Miniatureffekt ein; die Station wirkt wie ihr eigenes Modell – und „das 3D“ wie noch ein Baustein, der nicht so recht passen will.

Fußnote

¹ die Situation erinnert mich an Don Rosas „Der magische Tunnel“ (Don McDuck, inducks)

Bild: 25×ISS, Quelle: NASA

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