The long way to a small, angry planet ist eine Space (Soap) Opera, wie ich sie mir immer gewünscht habe, aber die am Ende dann doch ein wenig zu wünschen übrig lässt. Sie spielt auf der Wayfarer, einem Raumschiff, dessen Crew am Ausbau der interstellaren Reise- und Transport-Infrastruktur beteiligt ist. Ihr bis dato größter Auftrag schickt sie auf eine lange Reise zu einer noch nicht angebundenen Region der Galaxis.

Ich mochte auf Anhieb vieles: das Setting im Milieu von Weltall-Straßenbauarbeitern, der Fokus auf dem Raumschiff-Alltag und vor allem die Besatzung der Wayfarer. Was Außerirdisches angeht, wird fast nichts einfach blind von dem übernommen, was wir von unserem Planten kennen, sondern vieles von Grund auf neu gedacht. Nicht alle haben dieselbe Anzahl von Gliedmaßen, Kehlköpfen, Organen, nicht alle haben dieselbe Einstellung zu Arbeit, Beziehungen, Kindern, und daraus ergibt sich eine Welt, die sich nicht nur lebendig, sondern auch extrem sorgfältig ausgedacht anfühlt. Die üblichen Fragen, die sich bei Sci-Fi mit Aliens stellen – z.B., wie eigentlich die Kommunikation über physiologische Unterschiede hinweg funktionieren soll – schiebt die Autorin nicht beiseite, sondern taucht genüsslich in sie ein.


Mehrere Alienköpfe Kehlköpfe

Erzählt wird weniger eine große zusammenhängende Story, sondern mehrere kleine Geschichten, die sich jeweils um eins der Crewmitglieder drehen. Der Navigators der Wayfarer besteht beispielsweise aus zwei gemeinsam in einem Körper lebenden Wesen. Ein Konzept, wie man es etwa von den Trill in Star Trek kennt, aber hier wird eine spezifische Frage in den Mittelpunkt gestellt: wie soll man mit Uneinigkeit in der Gesellschaft darüber umgehen, ob es sich um eine symbiotische oder parasitäre Lebensgemeinschaft handelt? Die anderen Geschichten arbeiten ebenfalls interessante Fragestellungen aus beliebten Sci-Konzepte wie Klonen, KI, heraus.

Die größte Rolle spielt die frisch dazugestoßene Buchhalterin des Schiffs namens Rosemary – was auf der Wayfarer passiert, bekommen wir größtenteils aus ihrer Perspektive erzählt, die auch von geisteswissenschaftlichen Kursen am College geprägt ist. Wenn uns Aliens begegnen, an denen uns als Leser_innen etwas unverständlich ist, erklären uns Rosemarys Gedankengänge, was es damit auf sich hat, häufig begleitet von der (Selbst-)Ermahnung, menschliche Angewohnheiten nicht für selbstverständlich zu halten und auf andere zu projizieren. Dabei wird stark auf den Effekt gebaut, dass unsere eigenen Eigenschaften uns durch diese space-kulturvergleichende Lupe betrachtet absurd vorkommen können; nach einer Weile nutzt sich der Spaß daran dann aber doch ab, vor allem, da es häufig überdeutlich betont wird. „You mammals are so weird!“

Zwei andere Probleme, die ich mit dem Buch habe, teilt The long way… mit Cory Doctorows Walkaway. Beide kranken ein wenig an dem Syndrom, dass alle Figuren wie nur leicht abgewandelte Varianten derselben Person wirken – was in diesem Fall zunächst ganz angenehm ist, da auf der Wayfarer alle extrem freundschaftlich, aufgeschlossen und rücksichtsvoll miteinander umgehen, was in erholsamem Kontrast zu den üblichen draufgängerischen und selbstbezogenen Space-Opera-Helden steht. Allerdings hat es auch zur Folge, dass es schwieriger ist, Konflikte und charaktergetriebene Spannungsbögen entstehen zu lassen. Das andere Problem, das mich an Walkaway erinnert hat, ist, dass das Buch an vielen Stellen merklich in den 2010er Jahren verhaftet bleibt. Es ist nichts dagegen einzuwenden, aktuelle Themen aufzugreifen (im Gegenteil), aber zum einen es scheint mir, dass manche davon aus der etwas zu einfachen „Zum Glück sind wir heute weiter als diese schrecklichen Leute vor 375 Jahren“-Perspektive abgefertigt werden, und andere wiederum nicht konsequent genug weitergedacht werden, wodurch manche Figuren einen für ihre Verhältnisse fast schon reaktionären Eindruck machen – dass mehrere Jahrhunderte in der Zukunft, in einer vernetzten, multilingualen Galaxis unterschiedliche Pronomensysteme immer noch Leute in Verwirrung stürzen, kommt mir zum einen wie eine Art unnötige Handreichung an vielleicht heute schon Verwirrte und zum anderen auch einfach unplausibel vor.

Generell wäre also weniger Harmonie und mehr… Drama wünschenswert auf dieser langen Reise zu dem kleinen Planten – dann wäre es eine perfekte Space Sitcom.

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