Die New York Times schreibt, First Man sei eigentlich ein Sportfilm, mit Teamkameraden und einem Coach, die sich im Wettkampf einen unsichtbaren Gegner befinden. Ich bin neidisch auf diese Analogie, weil meine Zusammenfassung des Films stumpfer ausfällt: First Man ist ein Film über Piloten.

Er zeigt uns anhand von Ausschnitten aus dem Leben von Neil Armstrong (Ryan Gosling) sehr spezifisch, was das NASA-Testpiloten-Dasein ausmacht. Zunächst mal sind da die extremen physischen und psychischen Anforderungen. Die minutenlangen Szenen in entsetzlich rüttelnden und klappernden Weltraumfahrzeugen, deren Piloten schwitzend und nur Sekunden vor der Ohnmacht stehend absolut geistesgegenwärtig komplexeste Aufgaben erledigen, waren in ihrer Länge und Intensität gleichzeitig merkwürdig meditativ (ich bin jedes Mal gedanklich völlig abgedriftet) und unerträglich spannend. Zum anderen ist da die nicht endende Reihe an Beerdigungen von Kollegen, die ein lebensgefährlicher Job mit sich bringt, und die ständigen existentiellen Sorgen der Familie. Beides zeigt First Man aus Armstrongs stoischer Sicht und Goslings Augen, deren gewohnte Unaufgeregtheit sich hier nochmal selbst übertrifft.

Und dann ist da noch die Mondlandung. Die gestochen scharfe Reinszenierung dessen, was man grobkörnig und verrauscht schon tausend mal gesehen hat, schafft es, einem diesen absurden Moment des Heraustretens auf einen anderen Himmelskörper ansatzweise vorstellbar zu machen. Ich weiß nicht genau, was es bedeutet, wenn dieses AV-Club-Review schreibt, dass Chazelle an dieser Stelle von „35- zu 65mm“ geht, aber es verleiht dem Ausblick auf die unirdischen Krater und die am Himmel hängende kleine Erde die nötige Bombastik.

Dieser Balanceakt zwischen Hyperrealismus und epischem Drama gelingt überraschend gut. Regisseur Chazelle erzeugt die Dramatik ohne allzu dick aufgetragenen Patriotismus und Heroismus wie etwa im Marsianer, und obwohl durch Armstrong Familienhintergrund mit einer verstorbenen Tochter und einer einsamen Frau eine gefühlige Note reinkommt, erreicht das hier nicht Gravity-Ausmaße.

Trotzdem ist der Film da am stärksten, wo er den Zuschauer die Belastungen eines Weltraumpiloten beinahe körperlich miterleben lässt. Der Film ist mutig geschnitten und überspringt gnadenlos ganze Jahre, von Gemini 5 zu Gemini 8 und schließlich zum Apollo-Programm. Ich wünschte, er würde noch einen Schritt weitergehen und die verleichsweise biopic-konventionell inszenierten Einblicke in Armstrongs Privatleben noch weiter zurückfahren. Dann wäre es wirklich einfach ein Film über die harte Arbeit eines Testpiloten, und ich glaube, das wäre noch besser.

Bildquelle: Wikimedia Commons

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