Ich habe mir Terminator 2 in 3D im Kino angeschaut. Wieso? Weil ich konnte. Weil ich an dem einen Tag, zu der einen Uhrzeit gerade Zeit hatte und Terminator 2 sehr gerne mag. Ich denke so würde auch James Cameron antworten auf die Frage wieso T2 nochmal in 3D erscheint, mit nur einer Vorführung (jedenfalls in Halle an der Saale), 26 Jahre nach dem ursprünglichen Release. Weil James Cameron 3D kann, und Terminator 2 mag.

Bietet diese Version mehr, als sich den Film nur etwas anders, noch mal anzuschauen? Leistet die in mühseliger, skulpturaler Handarbeit post-konvertierte 3D-Version etwas? Das hängt erstmal davon ab, was man von 3D erwartet: ist es ein Additiv, das generell alle Filme etwas intensiver macht, und alte Filme sanft aktualisiert? Oder bietet T2 unausgeschöpftes, genuin stereoskopisches Potential?
Die additive Interpretation klingt harmloser, ist aber zynisch kapitalistisch: 3D legitimiert eine Neuveröffentlichung mit hohem Eintrittspreis – aber wieso dann nur der eine Termin? Die andere Interpretation wäre künstlerischer und passt zu dem Aspekt von T2, der eben nicht nur ein Blockbuster ist, sondern auch ein technisch-ästhetischer Meilenstein, der seine Innovationen in 3D-Modeling und -Animation und digitalem Compositing sinnvoll narrativ einbettet und damit für CGI eine ähnliche Rolle spielt wie später Avatar für 3D. Wie ist 3D in T2 eingewebt: Ist es egal, gut, bahnbrechend? Wie wirkt es sich aus, wenn man die flache Originalversion schon zwanzig Mal gesehen hat?

Ich will zwei Typen von 3D-Szenen unterscheiden: die „unauffälligen“ und „auffälligen“. Die ersteren umfassen eher Establishing Shots, Landschaften, Zwischeneinstellungen, sozusagen die Füllung. Technisch klappt die 3D-Konvertierung sehr gut, besser als bei vielen neuen Produktionen. Obwohl Cameron die Schnittfrequenz, -folge und Komposition nicht an 3D angepasst, also verlangsamt hat, gibt es kaum Verwirrung oder fehlenden Fokus. Die relativ einfache Komposition, die eher „zentrale Objekte“ als Tableaus bevorzugt, kommt hierbei zu Gute: diese Objekte erhalten stereoskopisch noch stärkeren Fokus, Szenen werden teilweise besser lesbar. Menschen in Autos sind als verletzliche Körper in Kästen fühlbar; eine ins Bild ragende Tischkante bekommt mehr Wucht und nimmt damit ein Stichwerkzeug vorweg. Während solche Szenen eher Diorama-Charakter erhalten, gibt es auch solche mit „offenem“ Rahmen, wo die Stereoskopie tatsächlich Immersion verstärkt. Sarah Connors Vision der Atombombenexplosion wird durch die seltsame Physikalität und das Eindringen in den Kinosaal noch grusliger. Die veränderte Physikalität wirkt sich auch auf Gegenstände aus: Die Terminator-Skelette werden „noch mehr practical“ und dafür heben stechen ihre roten Augen noch mehr heraus. Bei Bildschirmen entsteht ein 2D-in-3D-Kontrast zwischen Gerät und „Schirminhalt“, der sich auf das Verhältnis von Gegenstand und Abbildung auswirkt: In der Spielhalle wird Missile Attack als flache Simulation deutlich – aber eben auch als spielerisch-ernste Vorahnung der kommenden Apokalypse. Der medizinische, ‚objektive‘ Überwachungsapparat verleiht Sarah Connors Patientin-Video und damit ihrer Vergangenheit eine körperliche Präsenz – wie auch der Terminator ihr aus ihrer Vergangenheit folgt.
Der 2D-in-3D-Kontrasteffekt zerstört wiederum andere Szenen, indem er Rückprojektionen als solche sichtbarer macht: Eddie Furlong saß auf einem stehenden Motorrad; die Autofahrt durch die nächtliche Wüste wurde im Studio aufgenommen – eigentlich nicht überraschend, und normalerweise unauffällig, nur dass jetzt ein 3D-Finger darauf zeigt. Das klassische Compositing wird auch bei den Szenen mit Raumschiffen am Anfang abgeschwächt, die Modelle werden präsenter – als kleine, vergrößerte Modelle.

Wie verhalten sich dagegen die besonderen Szenen? Vor allem bei den body-horror/gore-Szenen sowie bei den damals-neuartigen VFX-Szenen lohnt ein genauerer Blick.
T2 gibt sich nie der Versuchung hin, die vielen Stichwerkzeuge in die Augen des Kino-Publikums zu richten (nur einige Pistolen, aber da auch eher stark/brav komprimiert). Trotzdem erhalten die spitzen Metallgliedmaßen des nicht-mehr-flüssigen-Terminators eine angenehm fremde Körperlichkeit – die stereoskopisch halb doch im virtuellen Raum schwebt.
Die anderen „teuren“ Spezialeffekte sind in 3D durchwachsen: das den Schachbrett-(Demo-)Kacheln entwachsende Gesicht erhält diese „beunruhigende“ Tiefe nicht; an anderen Stellen ist der Terminator-Blob amüsant klumpig (etwa beim Eindringen ins Hubschrauber-Cockpit). Interessant ist die Auswirkung der Konversion auf den berühmten Chrom-Effekt des flüssigen Metalls. Das Spiegelbild sollte trotz Wölbspiegel-Verkürzungs-Effekt etwas Tiefe besitzen. Stattdessen liegt das Spiegelbild auf der Oberfläche auf – und das Chrom wird seltsam matt. Es stellt sich die Frage, ob das hinzufügen von Tiefe hier ein zu tiefer Eingriff in das Originalmaterial gewesen wäre – 3D-Interpretation statt -Konvertierung.
Hier können wieder die practical effects, und mit ihnen der überholte Hartmetall-Terminator punkten:  als Sarah Connor mit einer Zange Kugeln aus Arnie’s Brustkorb zieht, ist das in 3D deutlich ekliger.

Oder eben nicht? Ich habe versucht, bei allen Szenen auch ein Auge zu schließen, und die Szene in 2D zu betrachten. Meistens fehlt nicht so richtig viel: Die 3D-gerenderten Szenen sind sowieso vorsichtigerweise für einwandfreie räumliche Wahrnehmung optimiert (sonst würden sie sich ja nicht lohnen); Stichwerkzeuge sind auch durch die 2D-Stilmittel Kadrierung und Tiefenschärfe aufregend. Es ist dann doch eher das diffuse 3D, das Eindruck hinterlässt: Ich achte mehr auf bestimmte Gegenstände und sehe so die Qualität der Regie (und damit auch die des Plots) und ich staune neu über die wirklich unglaublichen Stunts, die heutzutage vermutlich nur computergeneriert realisiert würden.
Was davon wirklich auf die Stereoskopie zurückzuführen ist, und nicht auf den Eventcharakter dieser einmaligen Vorführung oder einfach die Kinosituation, ist schwer zu sagen. Ich müsste den Film wohl im Kino in 2D schauen. Vielleicht in 4K! Oder 8K!

Anmerkungen

  • Disclaimer: Als 3D-Fanboy und -Wannabe-Akademiker habe ich eine seltsame Perspektive auf 3D. Ich konnte erst im letzten Teil des Films mein analytisches Auge ausschalten und den Film „einfach wirken lassen“ ohne explizit auf die Stereoskopie zu achten. Andererseits neigt die Stereoskopie eben auch, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
  • Es gab minimale Glitches, die sich vermutlich aus einer automatischen Konvertierung ergeben haben (v.a. in Zäunen)
  • Deutlicher waren Imperfektionen bei Spiegelungen in Glasflächen, die nie die richtige räumliche Tiefe zu haben scheinen – nicht nur beim Chrom-Terminator.
  • Ein seltsamer Effekt, den ich so noch nie beobachtet habe: Dialogszene mit Tele aufgenommen: beide Köpfe erscheinen etwa gleich groß, einer unscharf. 3D-Konvertierung versetzt den „hinteren“ für diese Brennweite viel zu weit in die Tiefe – dadurch wirkt der „vordere“ Kopf viel kleiner. Schrumpfkopf-Arnie und Bighead-Cheat-Eddie-Furlong. Tele-Postconversion-Misinterpretation-Illusion.
  • Das Publikum stellten vor allem Fitnessstudio-Typen.
  • Die Szene, in der Arnie zu lächeln lernt, war rausgeschnitten. War das zu schwierig für die 3D-Postkonversion?

Links

Schreibe einen Kommentar

Angabe von Name, E-Mail und Website ist freiwillig. Du darfst natürlich gerne ein Pseudonym benutzen, um deine Privatsphäre zu schützen. Für den Fall, dass du irgendwann Auskunft zu diesen Daten haben willst, oder Kommentare löschen lassen willst, solltest du eine (reale oder fake-) E-Mail-Adresse angeben, die uns eine Zuordnung ermöglicht. Deine IP-Adresse wird nicht gespeichert.

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert