Zwischen zwei Fantasy Filmfesten liegt immer ein langes Jahr. Vor 15 Jahren wurden uns die FFF Nights geschenkt, eine Art komprimierte Wochenendausgabe des Filmfests im Frühjahr, die die Wartezeit verkürzt. Und seit 2015 füllen die White Nights auch das bisher trostlose Winterquartal mit feinsten Blutbädern und Gänsehäuten. Hier unsere Eindrücke!
Dieses Jahr beeindruckte am ersten Tag ein bärtiger, vernarbter und gewaltiger Joacquin Phoenix in Lynne Ramsays A Beautiful Day (im Original: You Were Never Really Here). Phoenix füllt die Rolle des traumatisierten Killers in jeder Hinsicht aus und trägt den Film, dessen Der-Killer-und-das-Mädchen-Story ansonsten ein wenig blass bleibt. Für den prominenten Platz, den Hämmer im Film einnehmen, und für die Vergleiche, die zu Drive gezogen wurden, bleibt es auch erstaunlich unblutig. Optik und Soundtrack sind top – anschauen empfohlen!
Visuell machte auch Cold Skin einen guten Eindruck, der die karge Schönheit einer abgelegenen, eisigen Insel zu Beginn des 20. Jahrhunderts gut in Szene zu setzen weiß. Der dort gelandete Protagonist trifft auf einen verrückt gewordenen Leuchtturmwärter und auf Meereskreaturen, die für ansehnliche Action sorgen. Die Geschichte kann allerdings nicht richtig überzeugen, und der absolut creepige (und für die Story unnötige) Umgang mit den nicht-menschlichen, aber eindeutig mehr als tierischen Fischfrauen nimmt einem leider schnell jegliche Sympathie für die Charaktere und den Film.
Ghost Stories ist eigentlich ein Episodenfilm aus mehreren Geistergeschichten, die durch eine Meta-Rahmenstory zusammengehalten werden. Letztere driftet ein wenig in komplizierte Twists ab, was aber nicht das Vergnügen an den einzelnen Geschichten schmälert, die britisch, klassisch, gruslig und gut sind.
Unser Favorit am ersten Tag war allerdings Les Affamés, ein kanadischer Zombiefilm, der mit sehr guten Darstellerinnen und Darstellern und wunderschönen Wäldern aufwartet. Der Film lässt sich viel Zeit, sowohl bei den Kamerafahrten, als auch bei den Dialogen. Viel Story gibt es nicht, das stört hier aber gar nicht. Vieles wird angenehm unklar gelassen (etwa, warum die Zombies bevorzugt Dinge stapeln), was zur surrealistischen Atmosphäre beiträgt. Eine weitere Eigenart der Zombies ist, dass sie normale menschliche Stimmen haben – gewöhnungsbedürftig, aber mit sehr gruseligem Effekt. Rundum gelungener Horror.
Ausschnitte aus den Trailern zu Les Affamés / Let the Corpses Tan
Das Highlight des zweiten Tages war entgegen unserer Vermutung im Vorfeld für uns nicht Guillermo del Toros The Shape of Water. Dieser kommt eher ein bisschen sirupartig daher, sowohl was die Süßlichkeit der Geschichte als auch das eher zähe Tempo angeht. Schön ist die Entscheidung, eine stumme Protagonistin Elisa in den Mittelpunkt zu stellen, und die Lautlosigkeit ihrer Annäherung an den amphibischen Mann, in den sie sich verliebt. Die Liebesgeschichte und ihre Inszenierung bleibt (auch in ihrem Fokus auf der Frage, ob und wie genau Elisas Freund männlich ist) ein eher konventionelles Märchen, gerade im Vergleich mit dem ebenfalls märchenhaften, aber einige Grenzen überschreitenden Pans Labyrinth.
Dennoch ist Shape of the Water angenehm anzuschauen, was man von The Hostile weniger sagen kann. Nach einem vielversprechenden Einstieg in eine an Fallout erinnernde postapokalyptische Welt, in der eine starke Überlebende gegen widerliche Wesen bestehen muss, teilt sich der Film in zwei Erzählstränge – ihre gegenwärtige Situation und Rückblicke auf ihr früheres Leben. Letzteres ist eine ganz unangenehme Geschichte um einen reichen Typen, der eine drogenabhängige Frau „rettet“ und bei sich aufnimmt; leider ist der dieser Teil des Films grusliger als der postapokalyptische, von dem man gerne mehr sehen würde.
Sehr viel interessanter (schon allein vom Titel) war Laissez bronzer les cadavres / Let the Corpses Tan vom Regie-Ehepaar Hélène Cattet und Bruno Forzani, die uns vom FFF schon gut bekannt sind und von denen auch diesmal einer (Forzani) Nachgespräch anwesend war. Ihr Film spielt inmitten von einer verfallenen Mittelmeersiedlung, die zu einem blutigen Schlachtfeld wird, als dort unter anderem Gangster, Polizisten, eine Künstlerin und die ihr untergebenen Liebhaber aufeinandertreffen. Viel Gold, Blut, Fetisch, wenig Worte – Corpses ist ein Bilderrausch, bei dem die Ästhetik der Gewalt im Mittelpunkt steht. Dabei wird teilweise dieselbe Szene aus den verschiedenen Perspektiven der Beteiligten gezeigt, ohne dass es das rasante Tempo des Films bremsen würde. Ein Highlight des Festivals und unbedingt sehenswert!
Ein weiterer Höhepunkt und der sci-fi-igste der Filme war The Endless. Darin kehren zwei Brüder zu einer Art Sekte zurück, in der sie als Kinder gelebt haben. Dort scheint die Zeit auf eine merkwürdige Weise zu vergehen. Es gehen Dinge vor sich, die wir so noch nicht gesehen haben, und die auch filmisch einzigartig umgesetzt sind. Man sollte wohl nicht viel mehr sagen, wenn man nicht zu viel verraten will. Tolle Ideen, tolle Bilder – muss man selbst anschauen!
Das war’s – verpasst haben wir The Little Hours und The Lodgers. Was wir gesehen haben, war ein sehr starkes Programm, das uns hoffentlich bis zu den nächsten Nights im Frühling genügend Stoff für unsere Albträume liefert. Verpasst sie nicht – bis dann!
Quelle des Beitragsbilds: Ein Teil der Film-Icon-Legende des Fantasy Filmfestivals